Am Sonntag, 10 September fuhr ich
frühmorgens zum Flughafen Irkutsk und erwartete dort Monica, ein weiterer Gast
aus der Schweiz. Als ich ankam, war das Flugzeug jedoch schon gelandet, sie
hatten offensichtlich starken Rückenwind, denn sie waren sicher 15 Minuten vor
der planmässigen Landung schon angekommen. Aber zum Glück dauert es ein
Weilchen mit dem Aussteigen und so weiter, so dass ich Monica trotzdem
rechtzeitig empfangen konnte.
Gemeinsam fuhren wir mit dem Taxi zur
Auberge theatrale ins Herzen der Stadt zurück. Monica musste sich erstmal ein
wenig vom Jetlag erholen und schlief ein paar Stunden. Danach machten wir einen
Stadtrundgang und kauften am Zentralen Markt viele leckere Sachen ein.
Kurz vor dem Mittag fuhren wir am Montag
los Richtung Baikalsee. Eine schöne Fahrt über das Olcha-Plateau, der Wald
zeigte sich bereits herbstlich bunt. Das Wetter war perfekt und am Strand von
Kultuk waren wir die einzigen Gäste. So konnten wir den Baikal für uns
geniessen und Monica wagte sich sogar ins doch inzwischen kühle Wasser.
Das
Nachtessen bestand aus Risotto mit frischen Pilzen vom Markt.
Am Dienstagmorgen fuhren wir los mit dem
Ziel Arshan. Unterwegs besuchten wir in Bystraja das märchenhafte Anwesen des
Künstlers Andrej V. Mikhailov > http://multiki2006.narod.ru/menu.htm
. Er ist übrigens sehr daran interessiert, Kontakte in alle Welt zu knüpfen und
führt auf seinem Anwesen spannende Workshops durch. Bei Interesse bitte bei mir
melden! Ich kann es sehr empfehlen. Zeichnen und malen am Baikalsee und in der
malerischen Umgebung des Tunkatals, bildnerisches Gestalten und vieles mehr. Er ist ein Tausendsassa und unglaublich
produktiv. Die Führung im Magirus hat ihm auch sehr gefallen und er war hell
begeistert. Beglückt von diesen kreativen Menschen fuhren wir nach Arshan und
hinein ins Naturschutzgebiet des Tunkatals. Im Kurort Arshan angekommen,
klopfte ich bei der Pension „Monetnyi Dvor“ an. Diese ist mir bereits letztes
Jahr aufgefallen, da es eine grosszügige Anlage ist mit einem Einfahrtstor und
Parkplatz, welche gross genug für den Magirus sind.
Und mit Olga fanden wir
eine grossartige Gastgeberein. Mama Vollgas!
Ich organisierte für Monica ein
Zimmer, doch eigentlich wollte sie lieber im Magirus bleiben... Wir gingen im
Kurpark und im Dorf spazieren, versuchten, ob Monica die Wanderung auf den Pik
Ljubvi machen konnte, da sie am Knie verletzt war. Aber als sie sah, wie steil
das rauf und entsprechend wieder runter ging, entschied sie, nichts zu
riskieren. Zurück zur Pension und dann erstmal Nachtessen.
Am darauf folgenden Tag wanderten wir zum
bekannten Wasserfall von Arshan und dann doch noch etwas den Berg hinauf, wo
wir mit einem prächtigen Blick über das Tal belohnt wurden. Nicht halb so
streng wie auf den Pik Ljubvi, dafür sahen wir aber auch nur das halbe Tal.
Am
Nachmittag ein Spaziergang durch den Steingarten zum buddhistischen Kloster von
Arshan, das sich sehr schmuck in die Berglandschaft einfügt.
Nach dem
Nachtessen im Magirus gab es Banja, je etwa eine Stunde. Immer wieder eine
Wohltat, die Banja war aber auch richtig eingeheizt!
Am Donnerstag, 14. September ging unsere
Reise weiter. Nach dem Frühstück ging ich zu Olga um zu bezahlen, blieb jedoch
bei ihr hängen, da sie gerne mit uns plauderte. Interessant und herzlich war’s.
Auf dem Weg nach Zhemchug liess ich Monica ein paar Kilometer fahren und sie
machte es ganz gut für’s erste Mal!
Nach etwa einer Stunde trafen wir im
Kurort Zhemchug ein, bekannt für seine heisse Quelle. Da wir in der
Nebensaison unterwegs waren, standen wir ganz alleine auf dem Camping. Nur
Kühe und Hunde. Auch im Dorf war nicht mehr viel los, die Marktstände praktisch
alle leer. Dafür war das Badebecken nicht überfüllt und sehr angenehm.
Da es gerade so schön und eben angenehm
war, blieben wir gleich noch einen Tag. Diesen verbrachten wir mit Spazieren,
Nichtstun, Lesen, Baden, Essen, Wärme und Sonne geniessen.
Der nächste Tag sollte etwas anstrengender
werden, müssen wir doch sicher sieben Stunden fahren und durch die Grenzzone.
Unser Ziel am heutigen Samstag war Orlik. Die Strasse bis Mondy ist
hervorragend, wir kamen gut voran durch die liebliche Herbstlandschaft mit
goldig-bunten Wäldern und hohen Berge.
Beim Schlagbaum der Grenzzone angelangt, dauerte das
Prozedere trotz Bewilligung des FSB (ehem. KGB) fast zwei Stunden. Es ist
Nichtrussen nur mit Bewilligung gestattet, sich in der Nähe der mongolischen
Grenze aufzuhalten. Wieso kann niemand so genau sagen. Aber es musste
schlussendlich ein höherer Beamter her um uns eingehend zu überprüfen.
Sozusagen der wichtigste Mann im Tal. Und wieder einmal wurde alles fein
säuberlich von Hand in ein ominöses Buch eingetragen...
Nach Mondy bog die Strasse rechts ab auf
unbefestigte Schotterpiste, die immer schlechter wurde. Hinein ging es in das
Tal des Flusses Irkut. Unterwegs schauten wir uns noch einen heiligen
buddhistischen Platz an mit sehenswerter Aussicht.
Die Strasse schlängelte
sich durch die Schlucht empor bis wir mit einem Schlag die offene Ebene des
Oka-Plateaus erreichten. Auch die Landschaft änderte sich schlagartig. Von
Wald- und Flusslandschaft in offene Tundra. Spektakulär! Monica war überwältigt
und ich bin es auch jedesmal.
Nachdem wir etwa fünf Stunden richtig gut
durchgeschüttelt waren, erreichten wir endlich die Ortschaft Orlik und unseren
Platz für die nächsten drei Tage. Im goldenen Wald am Ufer des Flusses Oka. Mir
fehlen auch heute immer noch die Worte...
Am nächsten Tag, wir haben bereits Sonntag,
spazierten wir der Oka entlang nach Orlik um das Dorf anzuschauen und
einzukaufen. Das Wetter war mässig toll, kühl und immer wieder Regen,
dazwischen Aufhellungen. Auf dem Rückweg landete vor unseren Augen ein
Helikopter, der ein Kleinkind aufnahm und in die Stadt flog. Offensichtlich
gibt es auch hier eine Luftrettung.
Gegen Abend klarte das Wetter immer mehr
auf und ich konnte die übriggebliebenen Bratwürste aus der Schweiz noch auf dem
Feuer grillieren. Hauptsache feuern...! Dazu gab es Rösti und zum Dessert
Stalden-Creme... Mehr Schweiz am Ende der Welt ging nicht!! Und als es dunkel
wurde, zeigten sich dermassen viele Sterne, dass es schon fast unglaublich
wirkte.
Der darauffolgende Tag bescherte uns einen
Sonnenaufgang, der sich gewaschen hatte und wir nutzten den Tag, um auf
den Berg gleich hinter uns zu wandern.
Das Wetter bilderbuchmässig und die
Sicht fantastisch!
Nach der Rückkehr musste erst einmal ein Bier her gegen den
Muskelkater. Und es war wirklich sehr warm, so warm, dass wir im Bergbach baden
gingen. Und nicht zu vergessen: wir befanden uns in Ostsibirien, Mitte September
auf ca. 1'500 m.ü.M.!! Nach dem Nachtessen machte ich wieder ein riesen Feuer
und wir schauten uns lange schweigend die Pracht des Sternenhimmels über
Burjatien an.
Heute Dienstag hiess es wohl oder übel
Abschied nehmen von diesem malerischen Ort und uns über die Holperpiste nach
Mondy zu quälen. Dort trafen wir wieder auf den kleinen Wichtigstinker, der nun
seine Macht voll ausspielte. Er meinte, wir seien gar nicht in Orlik gewesen, da
uns niemand gesehen hätte. Anhand von Fotos konnte ich es ihm jedoch beweisen.
Danach befahl er uns unter Androhung von heftigen Sanktionen, wir sollten uns
auf der Migrationspolizei im Bezirkshauptort Kyren melden, da er irgendein
Problem mit meinem Arbeitsvisum hatte. Nun gut, fuhren wir halt nach Kyren, es
lag am Weg. Dort angelangt, wussten sie offenbar schon Bescheid und wir mussten
noch ein wenig warten. Nach etwa zehn Minuten führten sie uns in ein Büro zu
einer ganz netten Offizierin. Der kleine Wichtigstinker rief mich an, um zu
fragen, wo wir seien. Ich gab ihm die nette Dame und somit war das Problem
erledigt. Es gesellte sich noch ein Herr des FSB dazu und wir unterhielten uns
über dies und das, vor allem wollte er viel von der Schweiz wissen. Irgendwann
kam dann aus, dass sie ein Problem mit meinem Arbeitsvisum hatten, da ich ja
als Tourist unterwegs war. Für Monica bestand nie nur ein Funken eines
Problems. Doch die nette Dame und der Herr vom FSB wussten nicht so recht, was
zu tun sei. Im Gespräch der beiden hörte ich heraus, dass wir ja keine Chinesen
seinen, die illegal arbeiten und es deshalb auch kein Problem gab. Und so
liessen sie uns ziehen, ohne nur eine Notiz gemacht zu haben. Völlig
überflüssig das Ganze, unangenehm und zeitraubend. Aber Hauptsache, der kleine
Wichtigstinker zeigte uns, wer hier der Chef im Tal ist...! Wir fuhren dann
weiter bis nach Zhemchug, wo wir erst einmal ein Bier auf den ganzen Schrecken
tranken. Zum Nachtessen gingen wir das erste Mal auswärts und Monica kostete
die burjatische Spezialität „Posi“. Es hatte ihr sehr gut geschmeckt. Für mich
gab’s Schaschlik.
Der nächste Tag war ein fauler Tag. Und
trübe. So verbrachten wir den Morgen mit Lesen, freie Zeit geniessen und Baden.
Sowie noch ein bisschen „shoppen“. Wir entdeckten eine ganz spezielle
Spezialität, nämlich im Vodka eingelegte Wurzeln eines Strauches, der ganz
selten ist und in den Bergen wächst. 10 bis 15 Tropfen davon täglich im Tee
oder heissen Wasser und es soll gegen Müdigkeit und allgemein gegen
körperliches Unwohlsein wirken.
Am späteren Nachmittag fuhren wir wieder
nach Arshan zu Olga, die sich sehr über unseren erneuten Besuch freute. So sassen
wir lange bei ihr in der Küche und ich übersetzte so gut es eben ging. Nach dem
Nachtessen gönnten wir uns wieder eine Schwitzkur in der Banja.
Der Donnerstag, 21. September fing
wettermässig sehr verhangen und regnerisch an.
Wir verabschiedeten uns von
Olga, sie fuhr nach Kyren. Wir zogen uns richtig an, trotzten dem Wetter und
marschierten zu Fuss nach Alt-Arshan oder Suburga, wo sich auch eine
Mineralquelle befindet. Nach etwa zwei Stunden fanden wir diesen mystischen und
verwunschenen Kraftort tief versteckt im Wald. Als wir zurückkehrten, zogen
auch die Regenwolken vorüber und die Sonne kam zum Vorschein.
Am späteren
Nachmittag fuhren wir wieder nach Kultuk an den Baikal.
Nachdem wir ankamen und
uns eingerichtet hatten, schauten wir uns um und es kam uns vor, als seien wir
aus einem Traum erwacht. Der Traum begann hier in Kultuk und genau hier
erwachten wir wieder. Geträumt hatten wir eine wundervolle Reise ins Tunka- und
Oka-Tal!
Das Erwachen wurde uns leichter gemacht, indem wir einen grandiosen Sonnenaufgang über dem Baikalsee geschenkt bekamen...